Rollenspiele in der sozialpädagogischen Praxis

Rollenspiele sind eine bewährte Methode in sozialpädagogischen Praxis. Durch ihre interaktive Natur bieten sie eine einzigartige Möglichkeit, alternative Verhaltensweisen zu erlernen und konstruktive Bewältigungsstrategien zu entwickeln und zu erproben. In diesem Beitrag werden wir die Vorteile von Rollenspielen erläutern und anhand eines fiktiven Fallbeispiels einen Ablauf skizzieren. Zusätzlich werden wir auf die wichtigen Aspekte eines förderlichen Settings sowie auf potenzielle No-Gos sowie auf Personengruppen eingehen, für die Rollenspiele nicht geeignet sind.

Rollenspiele ermöglichen im Vergleich zu anderen sozialpädagogischen Methoden ein sehr praxisorientiertes Lernen. Durch das aktive Einnehmen von unterschiedlichen Rollen können Klient:innen realitätsnahe Situationen erleben und ihre Reaktionen darauf in einem geschützten Rahmen erproben. Dadurch ermöglichen wir unseren Klient:innen eine Erweiterung ihres Verhaltensrepertoires indem sie unterschiedliche Verhaltensweisen ausprobieren können, ihre Wirksamkeit erleben, ein direktes Feedback erhalten und die Erkenntnisse im besten Fall in ihren Alltag integrieren können.

Ein gut geführtes Rollenspiel erzeugt eine hohe emotionale Beteiligung, da die Teilnehmer:innen in die Lage versetzt werden, die Perspektive anderer Personen einzunehmen und dadurch ein tieferes Verständnis für die Gefühle anderer aber auch für die eigenen Gefühle zu erlangen.

Feedback und Reflexion sind ein unerlässlicher Bestandteil von Rollenspielen. Wir ermöglichen durch gezieltes Feedback die Verhaltensreflexion anzuregen und alternative Handlungsstrategien zu erkunden.

Ablauf eines Rollenspiels anhand eines fiktiven Fallbeispiels:

  1. Fallbeispiel: Stellen wir uns vor, wir arbeiten mit einer Gruppe von Jugendlichen, die in Konfliktsituationen häufig zu aggressivem Verhalten neigen. Wir konzentrieren uns auf das Thema „Umgang mit Provokationen“.
  2. Vorbereitung: Die Gruppe wird über das Thema informiert und gemeinsam werden mögliche Situationen identifiziert, in denen es auf Grund von Provokationen zu aggressivem Verhalten kommen könnte wie zB. Beleidigungen auf Grund des Aussehens in der Nachmittagsbetreuung.
  3. Rollenverteilung: Die Teilnehmer wählen oder werden in verschiedene Rollen aufgeteilt, z. B. den Provokateur, den Aggressiven, den Retter und den Konfliktvermeider. Die Rollen können aber müssen sich nicht an realen Personen orientieren. Die Orientierung an realen Personen ermöglicht unter Umständen eine leichtere Einnahme der Rolle steigert aber das Risiko einer emotionalen Überforderung. Dies muss von der sozialpädagogischen Fachkraft gut abgewogen werden im Vorfeld.
  4. Durchführung des Rollenspiels: Die Teilnehmer spielen die Situation in einem vorher festgelegten Setting durch. Dabei ist es wichtig, dass die Fachkraft als Moderator fungiert und die Rollenspieler unterstützt, falls sie Schwierigkeiten haben oder blockiert sind. Die Schauspielerische Leistung ist irrelevant und kein Indikator für den Erfolg. Die Situation kann je nach Alter und Fähigkeiten sehr lose beschrieben werden oder auch komplett vorgegeben werden.
  5. Feedback und Reflexion: Nach dem Rollenspiel erfolgt eine Reflexionsphase. Die Teilnehmer teilen ihre Gedanken, Gefühle und Beobachtungen die sie während des Rollenspiels erhalten haben. Die Fachkraft gibt konstruktives Feedback und ermutigt die Gruppe, alternative Verhaltensweisen in der jeweiligen Situation zu diskutieren und neue Sichtweisen einzunehmen. Hierzu können klassische Fragetechniken eingesetzt werden die es ermöglichen sich in andere Personen hinein zu versetzen.
  6. Wiederholung und Variation: Das Rollenspiel kann mehrmals durchgeführt werden, wobei verschiedene Varianten der Situation und unterschiedliche Rollen ausprobiert werden können. Dies ermöglicht den Teilnehmern, verschiedene Lösungsansätze zu erproben und ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln.
  7. Transfer in den Alltag: Nach dem Rollenspiel ist es wichtig, den Transfer in den Alltag zu fördern. Die Teilnehmer sollten ermutigt werden, die erlernten Verhaltensweisen und Strategien in realen Situationen anzuwenden. Dies kann durch Reflexionen, individuelles Coaching und gezielte Aufgabenstellungen unterstützt werden.

Der Ablauf eines Rollenspiels ist in der Praxis leicht durchzuführen. Es bedarf allerdings einer guten Vorbereitung der Teilnehmer:innen und ein geeignetes Setting. Ein förderliches Setting für Rollenspiele schafft Sicherheit und Vertraulichkeit. Es muss ein geschützter Raum geschaffen werden – sowohl räumlich als auch emotional – in dem sich die Teilnehmer:innen frei äußern und Fehler machen können. Vertraulichkeit muss gewährleistet sein, um eine offene Kommunikation zu ermöglichen. Es muss klar von Seiten der Fachkraft vermittelt werden, dass es hier nicht um Schauspielerisches Talent geht.

Eine klare Rollendefinition hilft den Teilnehmer:innen sich besser in die Rollen hineinversetzen zu können. Sollten die Rollen zu abstrakt sein verhindert dies das Eintauchen in die Rolle. Ein möglicher Ansatzpunkt kann sein in der Vorbereitung die Rollen mit realen Personen zu verknüpfen um es den Teilnehmer:innen leichter zu machen einen Bezug zur Rolle und deren Handlungsweisen herzustellen.

Für die Durchführung eignet sich ein neutraler, ungestörter Raum der während den Rollenspielen nicht von Kolleg:innen oder Familienmitgliedern der Klient:innen genutzt wird. Ein bewährter Ansatz ist es, Rollenspiele auch in der Freien Natur durchzuführen. Zusätzlich sollte ein Rückzugsraum geschaffen werden an den sich Teilnehmer:innen zurückziehen können. Ein Ausstieg aus dem Rollenspiel muss zu jeder Zeit möglich sein und sollte auch so klar in der Vorbereitung kommuniziert werden.

Wie bei jeder Interventionsmaßnahme gibt es No-Gos auf die zu achten ist:

Re-Viktimisierung: Rollenspiele sollten so gestaltet sein, dass sie nicht zu einer erneuten Viktimisierung oder Traumatisierung der Teilnehmer führen. Sensibilität und Achtsamkeit im Umgang mit traumatischen Erfahrungen sind daher unerlässlich. Der Schutz der Teilnehmer:innen steht immer vor dem Erkenntnisgewinn oder dem Gelingen der Intervention.

Verharmlosung oder Glorifizierung von Gewalt: Rollenspiele sollten niemals Gewalttätigkeit verherrlichen oder reale Gewaltsituationen nachstellen. Das Ziel ist es, gewaltfreie Lösungen zu finden und alternative Verhaltensweisen zu fördern.

Wie bei jeder Intervention müssen Fachkräfte achtsam sein, wenn es um die Auswahl der Teilnehmer:innen geht. Personen in akuten psychischen Krisensituationen können in Rollenspielen sehr schnell auf Grund der intensiven emotionalen Beteiligung an ihre Grenzen stoßen. Hier ist ein abwägen im Vorfeld wichtig ob ein Rollenspiel die geeignet Intervention darstellt. Ähnliches gilt für Personen mit traumatischen Erfahrungen. Eine Re-Traumatisierung kann durch Rollenspiele ausgelöst werden. Sie dürfen keinesfalls dazu verwendet werden, traumatische Erfahrungen nachzuspielen.