Methode: Das Johari-Fenster

Wie viele andere Methoden, die Anwendung in der Kinder- und Jugendhilfe finden, so wurde auch das Johari-Fenster von Sozialpsychologen entwickelt – und das bereits im Jahre 1955 durch Joseph Luft und Harry Ingham. Die Prämisse hinter der Methode ist, dass wenn man seine blinden Flecken und unbewusste Verhaltensmuster kennt, man ein realistisches Fremdbild entwickelt und seine zwischenmenschlichen Beziehungen stärkt.

Der Aufbau des Johari Fensters

Das Johari Fenster gliedert sich in vier Felder:

  • dem öffentlichen Bereich (Das was ich von mir preisgebe und andere kennen)
  • dem geheimen Bereich (Das was ich vor anderen verberge)
  • dem blinden Fleck (Das was ich nicht sehe aber andere erkennen)
  • dem unbekannten Fleck (Das was weder ich noch andere sehen oder kennen)

Viele dieser Bereiche sind uns am Anfang vielleicht noch gänzlich unbekannt. Erst durch intensive Auseinandersetzung und Feedback füllen sich die Felder mit einem realistischen Bild des eigenen Selbst. Das ist auch der Sinn der Übung. Je mehr ich von mir und meiner Wirkung auf andere weiß – desto geschickter handle ich in zwischenmenschlichen Beziehungen und umso authentischer wirke ich auf andere.

Arbeiten mit dem Johari Fenster

Das Johari Fenster muss zumindest im Dialog mit einer weiteren Person durchgeführt werden, kann aber auch in einem kleinen Team erarbeitet werden. Aus einer Liste von personenbeschreibenden Adjektiven werden von jeder Person ca. 5 ausgewählt, die ihrer Meinung auf sie selbst zutreffen. Jede Person wählt zusätzlich ca. 5 Adjektive aus, die die anderen Personen ihrer Meinung nach beschreiben.

achtsam, agil, akkurat, akribisch, arbeitsam, aufbrausend, aufrichtig, begeisternd, beherrscht, beharrlich, beständig, authentisch, teamfähig, charismatisch, autoritär, opportunistisch, fleißig, gründlich, gebildet, freundlich, ehrlich…

Auszug aus Adjektiven – mehr findet man unter dem Google Suchbegriff „Liste von personenbezogenen Adjektiven“

Im ersten Schritt werden die Verhaltensmerkmale miteinander verglichen. Das führt unweigerlich zu potenziell emotional aufgeladenen Situationen. Die Selbsteinschätzung und die Fremdeinschätzung können gehörig divergieren. Das ist auch normal – denn auch beim Selbst- und Fremdbild geht es stark um Rollen und verschiedene Hüte. Das Selbstbild in der Rolle als Privatperson kann stark vom Fremdbild im beruflichen Kontext abweichen. Um dem entgegenzuwirken, bietet es sich an, dass der Prozess von einer neutralen Person moderiert und angeleitet wird.

Im weiteren Prozess wird versucht, das Fremdbild weiter zu erkunden, indem gezielt Fragen an die anderen Personen gestellt werden.

„In welchen Situationen erlebt ihr mich aufbrausend?“
„Woran macht ihr fest, dass ich ehrlich wirke?“
„Könnt ihr mir eine Situation beschreiben, in denen ich authentisch gewirkt habe?“

Mögliche Fragen zur Fremdbilderkundung

Das Johari Fenster ist eine Methode, die längerfristig angelegt ist. Das grundlegende Ziel ist es, die Felder des blinden und unbekannten Flecks Schritt für Schritt zu verkleinern, indem die Eigenschaften in den öffentlichen oder geheimen Bereich wandern. Der geheime Bereich darf und soll ebenfalls verkleinert werden, indem gezielt entschieden wird, Persönlichkeitsmerkmale in den öffentlichen Bereich zu verschieben – diese also bewusst und gezielt einzusetzen und zu benennen.

Selektive Authentizität

Ganz nach dem Modell der selektiven Authentizität nach Ruth Cohn gilt auch beim Johari Fenster, dass es in unterschiedlichen Rollen unterschiedlich aussehen darf und manchmal sogar muss, um Rollenvermischungen zu vermeiden. Nehmen wir das Beispiel einer Führungskraft in einem Team in der Kinder- und Jugendhilfe, welche weiterhin mit ihr personalrechtlich unterstellten Personen in Fällen arbeitet. In diesem Beispiel vermischen sich drei grundlegende Rollen. Die Rolle als Fachkraft und Berater*in, die Rolle als Führungskraft und die Rolle als Kolleg*in. Und für alle drei sieht das Johari Fenster ein wenig anders aus. In meiner Rolle als Fachkraft werde ich Eigenschaften aus dem öffentlichen Bereich vielleicht in den geheimen Bereich verschieben. In meiner Rolle als Kolleg*in werde ich vielleicht andere Eigenschaften, die in meiner Rolle als Führungskraft im geheimen Bereich liegen, in den öffentlichen Bereich verschieben. Hier geht es also um den selektiven Umgang und die Steuerung der Informationen, die ich von mir herzeige. Diese abgewandelte Benützung des Johari Fensters bietet sich dann an, wenn das Grundmodell gut dargestellt und befüllt ist. Im nächsten Schritt überlegt man sich, welche Informationen in welchen Rollen gezeigt oder verborgen werden sollten und welche Auswirkungen dies auf die eigene Rolle haben kann. So entsteht über die Zeit eine Aufschlüsselung von situationsangepassten, authentischen Eigenschaften.